Wald und Wildschäden
Tagung des Südtiroler Forstvereines am 22. November 2024 in TerlanSeit Sturmwind Vaja und der Borkenkäfer große Waldflächen in Südtirol vernichtet haben, sitzt die Forstwelt auf Nadeln. Eine rasche Wiederbewaldung ist im Sinne aller, damit die Kahlflächen bald wieder ihre Schutzfunktion übernehmen können. Neben vielen anderen Faktoren spielt auch das Wild bei der Erneuerung des Waldes eine Rolle. Aus diesem Grund hat der Südtiroler Forstverein drei Kärntner Forst- und Jagdexperten gebeten, von ihren Erfahrungen zu berichten.
Widerstandskraft der Wälder fördern
Wildökologe und Forstwirt Horst Leitner aus Klagenfurt mahnt, dass die Wälder in Zeiten des Klimawandels immer empfindlicher werden. Deshalb muss ihre Widerstandskraft gefördert werden, indem Mischwälder und Baumarten gefördert werden, die der Hitze und Trockenheit gut standhalten können. Wenn es lokal Probleme mit Wildschäden gibt, muss die Forstbehörde diese Gebiete definieren und ausweisen. Auf den problematischen Flächen ist dann Schwerpunktbejagung durchzuführen. Das kann nur mit Jägern passieren, die sich des Problems und ihrer Verantwortung bewusst und körperlich fit sind, die genug Zeit haben sowie ihr Revier und ihr Wild gut kennen. „Wir brauchen in der Jagd keine Nachhaltigkeit“, sagte Leitner und meint damit, dass wir bei den Wildbeständen auch Schwankungen zulassen müssen, permanent viel Wild funktioniert nicht. Die Flächen der Schwerpunktbejagung sollten maximal 20 Hektar groß sein, dort steht der Vergrämungseffekt im Vordergrund.
Waldgams vergrämen
Über den Forstbetrieb Foscari-Widmann-Rezzonico in Kärnten wurde vor einigen Jahren in Jagd- und Forstkreisen viel geredet und geschrieben, weil dort die Rotwildfütterungen radikal aufgelassen worden sind. Martin Straubinger, ehemaliger Direktor des Betriebes berichtete über den Rückgang der Wildschäden nach dem Fütterungs-Stopp und wie die Waldgamsbestände bei ihnen im Gailtal reguliert werden. Dort beginnt man mit dem Jährlingsabschuss schon im Juni. Zu dieser Zeit sind die schwachen Jahrlinge gut zu erkennen, weil sie noch nicht verfärbt haben. Grundsätzlich wird nicht in Rudel geschossen. Wenn aber Gamsgeiß und Kitz im Wald alleine in Anblick kommen, wird zuerst das Kitz, dann die Geiß, unabhängig vom Alter und von der Trophäe, konsequent erlegt. „Die Rudel bleiben bei dieser Art der Bejagung vertraut. Anders wird es nicht gelingen, die Gams im Wald zu regulieren“, so Straubinger. In der Jugendklasse wird intensiv eingegriffen, die Mittelklasse wird aber in den Waldgebieten geschont, da diese das Rückgrat der Population darstellt.
Schwerpunktbejagung auf Problemflächen
Harald Zollner leitet das Forstrevier Hermagor der Österreichischen Bundesforste in Kärnten-Lungau. Im Jahr 2014 wurde dort mit der Reduktion der Wildbestände begonnen und zwar vor allem mit Stöberjagden. Seither sind die Wildgewichte beachtlich gestiegen. Die Reduktionsabschüsse dürften nicht überall auf Gegenliebe gestoßen sein, da die beteiligten Jäger und sogar deren Kinder angefeindet worden sind. Gams werden in Hermagor nur von August bis Oktober bejagt, der Eingriff erfolgt vor allem in der Jugendklasse. Am 30. November ist die Jagd generell vorbei.
Die Flächen der Bundesforste in Hermagor liegen inselartig eingebettet in andere Waldflächen und Zollner räumte ein, dass die Gamspopulation insgesamt abnehmen würde, wenn alle umgebenden Reviere so massiv eingreifen würden, wie die ÖBF auf ihren Schwerpunktflächen.
Schutzstatus der Alpengams muss respektiert werden
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion gab Wildbiologe des SJV Josef Wieser zu bedenken, dass die Gams im Alpenraum abnimmt und dass der Schutzstatus, den diese Art gemäß FFH-Richtlinie hat, in der Wildschadens-Diskussion unbedingt zu berücksichtigen sei. Die Forstbehörde solle im Vorfeld der Abschussplanung objektiv erheben, auf welchen Waldflächen es Probleme mit Wildschäden gibt, damit die Jäger dort gezielt eingreifen können. Ein Teil des Abschussplanes soll auf diese Schwerpunktflächen konzentriert werden. Die Maßnahmen müssen von einem forstlichen Monitoring flankiert werden, damit man sieht, ob sie etwas bringen. „Eine pauschale Erhöhung der Abschusspläne löst das Problem nicht“, so Josef Wieser.
Die Jagd erleichtern
Für Landesforstdirektor Günther Unterthiner sieht die Zukunft des Südtiroler Waldes nicht rosig aus: „Vaja war nur eine Alarmglocke. Mit solchen Schadereignissen werden wir in Zukunft ständig rechnen müssen.“ Sein größtes Anliegen ist es, alle Hemmnisse aus dem Weg zu räumen, die es der Jägerschaft erschweren, ihrem Auftrag der Wildregulierung nachzukommen. „Warum sollte man zum Beispiel nicht allein auf Waldgams gehen können?“, fragt sich Unterthiner. Auch die Handhabung der nicht erkennbaren Jährlingshirsche erschwert die Tätigkeit des Jägers. „Ich kann nicht einerseits die Erfüllung der Abschusspläne einfordern und gleichzeitig Strafen für Übertretungen ausstellen, wo ich die Sinnhaftigkeit nicht sehe“, meint der Landesforstdirektor. Und weiter: “Die Jagd ist eine Knochenarbeit und wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um sie zu erleichtern. Was die Forstbehörde dazu beitragen kann, wird getan, allerdings müssen auch die Jäger mitziehen.“ Die Zusammenarbeit zwischen Jagd und Forst ist nicht immer ganz konfliktfrei, aber beide Seiten wissen, wie wichtig sie sich gegenseitig sind und dass die Zusammenarbeit verbessert werden muss. „Bis dato ist es uns immer noch nicht gelungen, in Sachen Wildschäden zufriedenstellende Ergebnisse zu liefern, doch die Bemühungen sind da. Waldbewirtschaftung ohne effiziente Wildbewirtschaftung geht nicht. Sonst fahren wir den Karren an die Wand“, so Unterthiner.
Ulrike Raffl