Berichte von den Veranstaltungen des Südtiroler Forstvereines

klimafitte Baumarten

Am 03. März 2023 fand die 44. Vollversammlung des Südtiroler Forstvereins im Dürersaal in Klausen statt. Gemäß des diesjährigen Jahresthemas „klimafitte Baumarten“ haben sich die Vorträge auf die zukünftige Waldentwicklung bezogen.

Der Professor für Waldbau Mario Pividori von der Universität Padua referierte zum Thema “Il bosco del futuro –strategie di gestione forestale in relazione ai cambiamenti climatici” mit Bezug auf Südtirols Waldgesellschaften und dessen Eigenheiten. Seinen Aussagen zufolge werden sich trockenheitsresistente Baumarten aufgrund des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten immer weiter ausbreiten und durchsetzen. Gemeint sind dabei vor allem Baumarten wie Hopfenbuche, Blumenesche und Flaumeiche, welche sich allmählich auch in höheren Lagen etablieren und ähnliche Waldbestände bilden wie u.a. in tieferen Hanglagen des Unterlandes. Neben klima- und standortbedingten Entwicklungen sind ebenso menschliche Einflüsse am Waldaufbau festzustellen. Die Waldkiefer z.B. wurde durch den Bergbau gefördert und konnte sich auch nach dessen Ende erfolgreich in den Wäldern etablieren. Die Pflanzenaufzucht entspricht folglich nicht immer den natürlichen Verhältnissen. Die Pflanzen aus den Forstgärten (wovon es im restlichen Italien keine mehr gibt) sollen schnell wachsen bei gleichzeitig guter Qualität, wobei die gewünschte Rentabilität oftmals ausbleibt aufgrund der teils mangelnden Resistenz und Baumartenvielfalt. Prof. Pividori „beschuldigt“ dabei nicht die Förster, sondern vielmehr die Sägewerke, deren Produktion auf nur einige wenige Baumarten basiert. Die Baumartenwahl sollte den Förstern obliegen, wodurch Aspekte der Vielfalt und Nachhaltigkeit miteinbezogen werden. Es empfiehlt sich den Anteil an Pionierbaumarten zu erhöhen sowie Dauerwälder und Biodiversität zu fördern, da wir nicht genau wissen, was in den nächsten 50 Jahren passieren wird. Ein gutes Beispiel hierfür sind die stark durch das Sturmtief Vaia beschädigten Wälder im Fassa-Tal. Dort setzt man zukünftig nicht mehr auf die vorherrschende Fichte, welche bekanntlich als Flachwurzler gilt, sondern auf die tiefwurzelnde Lärche. Bei den Laubbäumen ist es hingegen vor allem die Kirsche, die als förderwürdig erachtet wird. Am Beispiel von Douglasien-Anbauversuchen in Italien zeigte sich, dass, außer im Ambrosia-Tal, sämtliche Anpflanzungen misslangen. Der Fehlschlag war auf die Trockenheit zurückzuführen, wobei stets der jeweilige Standort zu berücksichtigen ist. Prof. Pividori empfiehlt keine allochthonen Baumarten einzuführen, da Südtirol bereits über zahlreiche mediterrane Arten (Blumenesche, Hopfenbuche, verschieden Sträucher…) verfügt. Dabei sollten einzelne Fichten und Lärchen im Wald erhalten bleiben. Wo zu viele Fichten auf einem nicht geeigneten Standort stocken, ist ein Käferbefall mit Buchdrucker absehbar. Weiters sind auch die Methoden bei der Bestandesbegründung zu hinterfragen. In der Schweiz z.B. etablierte sich eine Kunstverjüngung erst nach 12 Jahren. Auf solchen Flächen ist die Naturverjüngung eindeutig zu bevorzugen. Grundsätzlich wird sich der Boden immer mit Pflanzen bedecken.
Dipl.-Ing. Michael Kessler vom Institut für Waldbau an der Universität für Bodenkultur Wien nahm Bezug auf die „Dynamische Waldtypisierung Steiermark als Beispiel für praxisnahe Instrumente zur Waldbewirtschaftung“. Die besagte Waldtypisierung wurde im Zuge des europäischen Projekts FORSITE – Dynamische Waldtypisierung ausgearbeitet. Das Projekt zählte dabei 12 beteiligte Organisationen mit über 100 Mitarbeiter:innen. Die Zielsetzung bestand in der Charakterisierung und Kartierung der forstlichen Standorte für aktuelle und zukünftige Klimabedingungen, wodurch Empfehlungen/Maßnahmen für die Waldbewirtschaftung im Klimawandel getroffen werden können. Somit verfügen die steirischen Waldbesitzer über ein waldbauliches Instrument, welches die klimatischen Auswirkungen auf ihren Wald für die kommenden Jahrzehnte prognostiziert. Insbesondere Überlegungen zur zukünftige Baumartenwahl können sich daran orientieren.
Hierfür wurden Karten für verschiedene Klimawandelszenarien im Hinblick auf Standortseinheiten, Baumarteneignung, Bodenparameter und Klimaindikatoren sowie Beschreibungen der Standortseinheiten angefertigt. Demgemäß entfiel ein Großteil der Arbeiten auf Standortserkundungen und Laboranalysen. Substratklassifikation (Substrat = dünne geologische „Haut“, aus welcher sich der Boden entwickelt) wurden durchgeführt und Bodeninformationen regionalisiert, wonach punktuelle Standortsinformationen auf größere Flächen projiziert wurden. Hinsichtlich des Klimas wurde die erhobene bzw. prognostizierte Jahresmitteltemperatur und der entsprechende Jahresniederschlag von 1989 bis 2100 herangezogen.
In der darauffolgenden Projektphase ging es darum, dem ermittelten Standort einen Waldtyp zuzuweisen. Dies erfolgte durch das „Dynamische Standortsystem“. Darunter ist die Definition von Waldtypen auf Basis von quantitativen Standortsmerkmalen, die in Abhängigkeit von Klimavariablen berechnet werden, zu verstehen. Dadurch ist die Ableitung von Waldtypen für zukünftige Klimabedingungen möglich. Beachtet wurden folglich u.a. die Auftrittswahrscheinlichkeit der Hauptbaumarten der Leitgesellschaften in Abhängigkeit von Klimavariablen, der Nährstoff- und Wasserhaushalt sowie die Basensättigung. Daraus resultierten wiederum Karten der Standortseinheiten bzw. Waldgruppen, deren Entwicklung angesichts verschiedener prognostizierter Klimaszenarien analysiert wurde. Je nach Szenario konnte somit der jeweilige prozentuale Waldflächenanteil bestimmt werden.
Weiters kam ein Baumarteneignungsmodell zur Anwendung, welches die monokausale Baumarteneignung in Bezug zu einzelne Boden- und Klimavariablen setzte. Es handelt sich hierbei um ein Expertenmodell auf Basis der autökologischen Eigenschaften der Baumarten. Diese autökologische Eignung entspricht einer Verknüpfung der monokausalen Baumarteneignungswerte mittels mathematischer Operatoren, welche ökologische Phänomene (Limitierung, Interaktion, Kompensation) repräsentieren. Als Risikofaktoren gelten die Anzahl der Trockenjahre und bei Fichte auch das Risiko durch Buchdrucker.
In seiner Präsentation veranschaulichte Herr Kessler am Beispiel der Fichte die zukünftige Baumartenentwicklung. Je nach Klimaszenario und Standort ist die Fichte sehr gut geeignet bis nicht geeignet. Dabei zeichnet sich bei Fichte, unabhängig vom jeweiligen Szenario, ein negativer Trend ab. Dieser verstärkt sich im Zusammenhang mit dem Borkenkäfer um so mehr. Demzufolge wird vorausgesagt, dass die Fichte v.a. in tieferen Lagen nicht geeignet bzw. überlebensfähig ist. Der Klimawandel führt zu einer Veränderung der Baumarteneignung, wobei es „Gewinner und Verlierer“ gibt. So werden z.B. Fichte und teils auch die Lärche als Verlierer, hingegen Kiefer, Eiche, Linde und Esche als Gewinner angesehen.
Endprodukte der Dynamische Waldtypisierung Steiermark sind: Thematische Karten und Standortseinheiten, Beschreibungen zu 116 Waldstandortseinheiten und Schlüssel, Bestimmungsschlüssel für Normalwaldstandorte, Baumartenportraits und Konzepte zu waldbaulichen Empfehlungen für Waldgruppen. Diese finden Anwendung als Orientierungshilfe für Waldbewirtschafter:innen, Datengrundlage für Forstbetriebe, Grundlage für Beratung und finden auch Berücksichtigung im Förderwesen. Digital verfügbar ist die Waldtypisierung im Digitalen Atlas der Steiermark (WebGIS) - dynWaldtypisierung (stmk.gv.at). Ebenso können Karten und Rasterdaten heruntergeladen werden (auch für Handy und Tablet).
Herr Kessler weist außerdem darauf hin, die Biodiversität der Baumarten durch Baumartenkombinationen zu erhöhen und waldbauliche Umwandlungsstrategien sowie deren Dringlichkeit zu berücksichtigen. Ob die Südtiroler Waldtypisierung nachträglich in eine Dynamische Waldtypisierung umgewandelt werde kann, gilt es noch herauszufinden.