Berichte von den Veranstaltungen des Südtiroler Forstvereines

Tag des Baumes 2024 - Die Baumdenkmäler

Der Baumtag 2024 war dem Thema Baumdenkmäler gewidmet. Der Einladung zur Teilnahme folgend, wartete am 18. Oktober um 8.15 Uhr eine nette Gruppe von über sechzig Mitgliedern im strömenden Regen auf die Ankunft der Kleinbusse am Bahnhof Bozen. Die Transferfahrt Richtung Jenesien endete in Nobls beim Gasthof Wieser.
Vor Ort warteten der Präsidenten des SFV sowie einige Mitarbeiter der Forststation Jenesien und ihr Kommandant: Stefan Innerebner, der bei einem gemütlichen Imbiss die Besonderheiten des Gebietes seiner Forststation erläuterte.
Jenesien liegt auf einer Höhe von 1087 Metern über dem Meeresspiegel und hat eine Fläche von ca. 67 km². Auf dem Salten liegt die größte Lärchenwiese Europas: ein Bergrücken des Tschögglbergs zwischen Jenesien und Mölten.
Jenesien ist von Wäldern und Wiesen geprägt und erstreckt sich im Gegensatz zu den anderen Berggemeinden bis ins Tal an die Grenze zur Stadt Bozen.
Von der Hochebene aus erreicht man die Fraktion Glaning, einen alten Wallfahrtsort, während rechts und links die Fraktionen Nobls und Afing und noch weiter oben Flaas liegen.
Zu unserer Enttäuschung konnten wir, aufgrund von Regen und Nebel, die bezaubernden Lärchen auf den grünen Wiesen, auf denen normalerweise blonde Haflinger-Pferde grasen, nicht wahrnehmen.
Während der Wanderung zur Einkehrmöglichkeit beim Gasthof Tomanegg (ca. 4,5 km) machten wir an drei verschiedenen Punkten Halt, um an den geplanten Referaten teilzunehmen.
Das erste Treffen fand mit der Referentin Kornelia Straudi vom Amt für Natur statt, die uns über das Thema „Baumdenkmäler in Südtirol“ informierte.
Baumdenkmäler gehören in Südtirol zu den Landschaftsgüter von herausragender landschaftlicher Bedeutung (Art.11 LG9/2018) und sind Pflanzen, die aufgrund ihres Alters, ihrer Höhe, ihrer Form oder ihrer historischen bzw. kulturellen Bedeutung unter Schutz stehen.
Derzeit sind in Südtirol 355 Baumdenkmäler geschützt. Nicht immer sind es Einzelbäume oder Baumpaare. Es gibt auch etliche Baumdenkmäler, die aus großen Flächen bestehen, wie zum Beispiel die Urlärchen Pazin (Graun i.V. über 8 ha) oder die 1000 jährigen Zirben Pechöl (Sarntal über 4 ha), oder Baumalleen (Platanenallee Auer – 26 Bäume). Deshalb ist die eigentliche Zahl der unter Schutz gestellten Bäume sehr viel höher und nicht bekannt. Und die Zahl ändert sich ständig.
Naturdenkmäler wurden schon mit dem staatlichen Gesetz zum Schutz der Naturschönheiten aus dem Jahre 1939 unter Schutz gestellt. In den Jahren 2013 und 2014 wurden zudem der Begriff „albero monumentale“ gnauer definiert und das nationale Register der Alberi monumentali d’Italia (AMI) eingeführt. 39 Bäume aus Südtirol sind auch in diesem nationalen Register eingetragen. Beispiel dazu sind die Urlärchen (Ulten) oder die Platane am Bahnhofsplatz (Bozen). Im Jahr 2018 wurden dann auf staatlicher Ebene auch die boschi vetusti (Altwälder) eingeführt. 2021 wurde zusätzlich dazu der Begriff boschi monumentali eingebracht, deren Ausweisungskriterien sich an jenen der staatlichen Baumdenkmäler orientieren: Naturwert nach Alter und Größe bzw. nach Aussehen und Sichtbarkeit, ökologischer und botanischer Wert, Kulturwert – „Grüne Architektur“, landschaftlicher Wert und kulturhistorischer Wert.
Eben an diese Kriterien angelehnt wird derzeit daran gearbeitet, an unsere südtiroler Bedürfnisse angepasste Kriterien zu formulieren, um einer willkürlichen Unterschutzstellung entgegenzuwirken. Ziel ist es, den wirklich besonderen Bäumen den Ritterschlag zum Baumdenkmal zukommen zu lassen.
Leider sehen die heutigen Bestimmungen für Naturdenkmäler keine Schutzzone bzw. keinen Bannstreifen vor. Die staatlichen Bestimmungen hingegen sprechen klar und deutlich vom minimalen lebensnotwendigen Kontext für das Naturdenkmal. Er ist mit 20 Metern zu allen Seiten des Baumstammes – mindestens aber seiner Kronenfläche - definiert.
Der Schutz des Baumes aber ist nur über den Schutz seines Standortes möglich. Zumeist sind es schleichende Veränderungen seines Wuchsortes die den Baum schwächen und krankheitsanfällig machen. Noch ist es nur sehr wenigen bewusst, dass der „andere“ Teil des Baumes unter der Erde wächst. Verdichtungen, Wurzelbeschädigungen, Versiegelung, Gelände- und Bodenveränderungen und viel anderes mehr setzen dem Baum sehr zu. Während Schäden an den größeren Wurzeln sofort Stabilitätsverluste zur Folge haben, sind es Beeinträchtigungen am Feinwurzelsystem, welche sich zwar oft erst mit zeitlicher Verzögerung, doch aber meist irreversibel bemerkbar machen.

Der Baum als Naturdenkmal darf nicht ausschließlich von seinem ästhetischen Wert her betrachtet werden. Zum einen prägt er das Mikroklima seines Standortes, was besonders im städtischen Raum ins Gewicht fällt. Zum anderen kann er die Geschichte eines Ortes prägen oder selbst aus kulturellen Gründen von Wichtigkeit sein, wie es bei einigen Votivbäumen der Fall sein kann, wie es etwa die Marienverehrungen da und dort zeigen. Auch hat er große ökologische Funktion, da besonders der sehr alte Baum vielerlei Kleinlebensräume, etwa Höhlungen oder Risse aufweist. Diese Wertigkeiten sind nur sehr schwer in Geldwert umzulegen. Es gibt international anerkannte Methoden den wirtschaftlichen Holzpreis eines schlagreifen Baumes im Ertragswald zu ermitteln. Die besonderen Werte eines Baumdenkmals können in vielfältiger Weise abgeschätzt werden. Heute findet das Aretè-Protokoll breite Anwendung, aber das Thema ist noch in ständigem Aus- und Umbau begriffen und es kommen ständig verfeinerte Methoden dazu. Es werden beispielsweise die Fähigkeit CO2 zu binden, die Produktion von Sauerstoff, die Artenvielfalt im Baum, sein ästhetischer Wert, sein Potential der Mikroklimagestaltung und anderes mehr, zusammen mit seinem Gesundheitszustand und seiner botanischen Eigenheiten abgeschätzt. Bislang konnten Werte zwischen 30.000 € bis 180.000 € ermitteln werden.

Baumdenkmäler werden oft in lokalen Sagen erwähnt und dienen oft als Orte der Besinnung. Auch bestimmte Arten wie die Esche zur Flurbereinigung oder einige 800 Jahre alte Linden, Kastanienbäume und über 600 Jahre alte Eichen in verschiedenen Gebieten Südtirols werden geschützt und respektiert.
Darüber hinaus sind Schutz und Fürsorge von entscheidender Bedeutung, um die Weitergabe der Geschichte durch diese lebenden Zeugen an zukünftige Generationen zu ermöglichen.
Beim zweiten Treffen berichtete uns Giorgio Cordin, Baumgutachter, Absolvent der Forst- und Umweltwissenschaften an der Universität Padua, Baumpflege-Expert und tree climber vom Thema: „Baumkontrollen und Baumgutachten“.
Vor einer majestätischen 400 Jahre alten Lärche beschrieb er mit Leidenschaft und Professionalität die verschiedenen Schritte zur Bewertung der Baumstabilität und Baumgesundheit, um zur Diagnose der Behandlung, des Beschneidens oder im Extremfall des Fällens der Pflanze zu gelangen.

Er betrachtet jeden Baum als Individuum und nicht als Teil des Bestandes. Seine Bewertung erfolgt nach dem Areté-Protokoll, das darauf abzielt, der Pflanze einen Gefährdungsgrad zuzuordnen. Die Inspektion beginnt mit der Beobachtung des Baumes, um seinen Gesundheitszustand anhand seines äußeren Erscheinungsbildes und des Klangs, den das Holz beim Anschlagen mit einem Hammer erzeugt, zu erkennen (Sichtprüfung). Wenn dies nicht ausreicht, werden verschiedene Instrumente eingesetzt, um die Vitalität und die Stabilität der Bäume zu messen, ohne die Pflanze wesentlich zu beschädigen. So gibt es zum Beispiel ein Penetrometer, das die Festigkeit der verschiedenen Holzschichten misst oder die Baumtomographie, die es durch die Anbringung von Sensoren am Stamm ermöglicht, die Geschwindigkeit der Wellenausbreitung durch das Holzgewebe zu messen und so Unregelmäßigkeiten/Anomalien in den Fasern zu erkennen. Darüber hinaus können mehrere Zugversuche durchgeführt werden, um die Windbeständigkeit der Pflanze zu überprüfen. Schließlich werden die Priorität und die Art der Pflegemaßnahmen zur Erhaltung des Baumes festgelegt. Alles wird in einem Dokument festgehalten. Herr Cordin befasst sich zudem auch mit dem Beschneiden von Bäumen von besonderem naturalistischem Interesse durch die Technik des „Baumkletterns“.
Beim dritten Treffen, das in der Nähe des Gasthofs Tomanegger unter der Krone eines imposanten Ahornes stattfand, sprach der bekannte Naturfotograf und ehemalige Mitarbeiter des Amtes für Naturparke, Sepp Hackhofer, zum Thema „Der Baum als Lebensraum“.
Bäume sind viel älter als der Mensch und existieren schon seit Millionen von Jahren, sie sind nicht nur wichtige Pflanzen, sondern auch komplexe Ökosysteme, in denen unzählige Lebensformen beheimatet sind. Insbesondere heimische Bäume, wie zum Beispiel Eichen, bieten zahlreichen Tierarten Nahrung, Schutz und Nistplätze und tragen zur Artenvielfalt bei.
Viele Vögel nisten in Bäumen. Höhere Bäume mit breitem Blätterdach sind ideal für Greifvögel, während niedrigere Bäume mit dichtem Laub einen idealen Standort für kleinere Vögel bieten.
Bäume stellen eine unerschöpfliche Nahrungsquelle und Lebensstruktur für Insekten und Spinnen dar, deren Beziehung oft artspezifisch ist. Blätter, Samen und Blütenstände zählen zu ihrer Nahrung, während die Risse in der Rinde, die Hohlräume des Stammes oder das Totholz als Lebensraum dienen. Einige Fledermausarten leben auch gerne in Bäumen.
Bäume sind Produzenten innerhalb des Ökosystems. Durch die Photosynthese wandeln sie Kohlendioxid in Sauerstoff um und produzieren organische Substanzen, die anderen Organismen als Nahrung dienen.
Wenn Bäume sterben oder fallen, bieten sie eine Umgebung und Nahrung für zersetzende Pilze und andere Organismen und tragen so zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei.
Bäume dienen auch den Menschen als Lebensraum. Im Wald oder unter einem Baum kann man sich erholen und wohlfühlen.

Erfüllt von den Themen, die unsere Forstkultur bereichern, machten wir uns auf den Weg zu einem geselligen Mittagessen in der Wärme der beheizten Stube.
Um 15 Uhr, nach einem Dank an die Referenten und der Verabschiedung der Teilnehmer durch unseren Präsidenten, brachten uns die Kleinbusse zurück zum Ausgangspunkt.
Ein großes Dankeschön von uns allen geht an die sehr netten Giulia und Dolores für die hervorragende Organisation dieser Tagung.

Felix Squeo (und Kornelia Straudi und Eleonora Depetris und Giulia Ligazzolo)