ARGE Forsttagung in St. Gallen „Ideengeber Schutzwald“
Die regelmäßig stattfindende grenzüberschreitende Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft ARGE Alpenländischer Forstvereine bietet die einzigartige Gelegenheit, Wissen zu vertiefen, Erfahrungen über die Landesgrenzen hinaus auszutauschen und gemeinsam Lösungsansätze für den Schutzwald zu entwickeln. Das landschaftlich vielfältige Sarganserland bat für die Tagung eine ideale Kulisse.Podium mit verschiedenen Stakeholdern des Waldes
Bruno Cozzio, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Alpenländischer Forstvereine eröffnete am Donnerstagnachmittag das Podium «Ideengeber Schutzwald» im Verrucano in Mels. Der Wald bedeckt rund einen Drittel der Kantonsfläche und hat für die Bevölkerung eine grosse Bedeutung. Im Kanton St.Gallen sind rund 62% der Waldfläche als Schutzwald ausgeschieden. Schutzwald ist Wald, der uns und unsere Infrastrukturen vor Naturgefahren wie Steinschlägen, Rutschungen, Lawinen oder Murgängen schützt. Gleichzeitig ist er ein wichtiger Lebensraum. Dies verdeutlicht, dass viele Anspruchsgruppen Anliegen an den Wald und Ideen für die Forstleute haben. Das Podium bot die Gelegenheit, dass sich verschiedene Interessenvertreter austauschen und ihre Sicht auf den Schutzwald darlegen konnten.
Der Wald erfüllt zahlreiche Ansprüche
Der Einstieg ins Podiums erfolgte mit einem Fachreferat von Paul Steffen, Vize-Direktor des Bundesamtes für Umwelt. Im folgenden Podiumsgespräch tauschten Interessenvertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, ihr Wissen, ihre Anliegen, Bedürfnisse, Ideen und Wünsche zum Schutzwald aus. Oliver Hugi, Head Solar Switzerland AXPO Schweiz, brachte fundierte Kenntnis und Erfahrung in der Abwägung von Schutz- und Nutzungsinteressen ein. Nationalrat Nicolò Paganini vertrat als Verwaltungsratspräsident den Schweizer Tourismus-Verband. Als Stiftungsratsmitglied der Schweizerischen Pfadistiftung konnte die GRÜNEN-Nationalrätin Franziska Ryser, die Anliegen der Pfadfinder einbringen. Als Neuropädiater und Zuständiger für Wald, Biodiversität und Gesundheit beim WWF St.Gallen kennt Dr. med. Markus Weissert die gesunde Wirkung des Waldes auf die Bevölkerung bestens. Mit seinem fundierten Wissen über die Zusammenhänge in der Natur vertrat Biologe, Tierfilmer und Fernsehmoderater Andreas Moser den Wald als Lebensraum Wald.
Kombination mit dem 125-Jahr Jubiläum des St.Galler Forstvereins
Der St.Galler Forstverein hat seine Partnerländer nicht nur zum fachlichen Austausch eingeladen, sondern auch zum Feiern. Der Gastgeber feiert sein 125-jähriges Jubiläum. Entsprechend passend ist auch das Tagungsthema: «Ideengeber Schutzwald». Denn für die Arbeit im Schutzwald, genauso wie für eine erfolgreiche Vereinsgeschichte, braucht es einen langen Schnauf, innovative Ideen und den Mut, diese auszuprobieren und konsequent umzusetzen. Regierungsrat Beat Tinner, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes des Kantons St.Gallen, gratulierte herzlich zu diesem ehrwürdigen Jubiläum und freute sich, die Forstleute aus den benachbarten Ländern im vielfältigen Kanton St.Gallen willkommen zu heißen.
Exkursionen zeigen Praxisbeispiele im Wald
Am Freitag wurden konkrete, langjährige Projekte im Wald gezeigt und der Wissenstransfer gefördert. Dazu gehören unter anderem die Wiederbewaldung in St. Margrethenberg (Pfäfers) 34 Jahre nach dem verheerenden Sturm Vivian von 1990. Am Gonzenwald oberhalb Sargans werden Dauerwaldbewirtschaftung und Steinschlagschutz thematisiert. In Valens wird auf die große Herausforderung Klimawandel eingegangen. Zusätzlich zum Kernthema «Schutzwald» wurden das Arven-Naturwaldreservat «Murgtal» in Quarten, Marroni in Murg am Walensee und die touristische Nutzung vorgestellt.
Hier einige Berichte der Südtiroler Teilnehmer an den Exkursionen
«Der Wolf im Taminatal» (Bericht Nicole Morandell)
- Es war sehr lehrreich und man konnte viel über den Wolf in Erfahrung bringen.
- Zum Beispiel, dass das Tal am Anfang viele Verbissprobleme im Schutzwald hatte. Als die Wölfe kamen verschob sich die Wildpopulation in die höheren Lagen und der Verbiss nahm ab. In dieser Zone konnte man mehrere gut verjüngte Tannen erblicken.
- Interessant war auch die Aussage, dass ein Wolf mit seinem Gebiss einen Widderkopf zusammendrücken kann.
- Mittlerweiler haben sich größere „Almen“ gebildet, wo professionelle Hirten in Kombination mit Herdenzäunen und Herdenhunden die Schafherde betreuen. Wolfangriffe gibt es trotzdem, jedoch hat die Anzahl an verletzen Tieren stark abgenommen.
Am Margarethenberg hoch über Bad Ragaz genießt man eine gute Aussicht über das Rheintal Richtung Lichtenstein und das Prättigau. An dieser exponierten Stelle hat der Orkan Vivian 1990 120 ha Wald zerstört, durch Folgeschäden kamen weitere 30 ha dazu.
Die Exkursion an diesem Standort war der Wiederbewaldung nach dem Schadereignis und der Erfüllung der Schutzwirkung gewidmet. An mehreren Punkten im Gelände mit unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen (Totalschaden ohne Verjüngung, Streuschaden mit Vorverjüngung) wurden die damals getroffenen Zielsetzungen diskutiert. Aufgrund der anfänglich getroffenen Maßnahmen (Räumung des Holzes, Aufforstung, technische Zusatzmaßnahmen) ist die Schutzwirkung des Waldes laut NaiS bereits im Bereich einer mindestens erforderlichen Schutzwirkung.
Am Margarethenberg wurde auch die Jungwaldpflege als wichtiger Teil der Schutzwaldbewirtschaftung hervorgehoben. Dies ist vor allem auf Flächen, die durch Störereignisse beeinflusst wurden, von großer Bedeutung. Bei Eingriffen in den Jungwald werden die Weichen für lange Zeiträume gestellt und auch für die Anpassung an den Klimawandel ist dies die Schlüsselsituation. Die Eingriffe orientieren sich am langfristig gesetzten Waldbauziel und der Ausrichtung auf die Waldfunktionen. Je nach Höhenlage werden 3 Pflegemethoden unterschieden, um flächige Verjüngungen in Gruppenplenterwälder zu überführen:
- Z-Baum Pflege in montanen Höhenstufen
- Kammerung in der hochmontanen Höhenstufe
- Rottenpflege in der subalpinen Höhenstufe
Die Exkursion 6 Maroni am Walensee führt uns in das Kastaniendorf Murg. Unter fachkundiger Führung des Revierförsters Josef Kühne und Simone Prospero, von der Eidg. Forschungsanstalt WSL, begeben wir uns nach Besichtigung der Murgbachschlucht mit seinen Gletschermühlen, auf den Kastanienweg. Aufgrund besonderer geologischer und klimatischer Verhältnisse gedeiht die Edelkastanie in der Umgebung von Murg vermutlich seit der Römerzeit. Der Rundweg führt durch das natürliche Verbreitungsgebiet der Edelkastanie. Sämlinge sowie veredelte Fruchtbäume wachsen hier gleichermaßen. An besonderen Wegstationen, so z.B. an der Waldschule und in der Selve (Kastanienhain), gewährt uns "Förster Sepp" Einblicke in die Biologie und die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten der Kastanie. Simone Prospero erklärt uns die Krankheiten, mit denen die Edelkastanie zu kämpfen hat, insbesondere dem Kastanienrindenkrebs. Aus Kastanienholz geschnitzte Waldtiere säumen den Wanderweg und nahezu entlang der gesamten Strecke können wir beeindruckende Felsbrocken des sauren Muttergesteins (Verrucano) ausfindig machen. Gegen Mittag erreichen wir die Hütte des Vereins Pro Kastanie Murg, wo uns liebevoll zubereitete und mit Kastanien abgeschmeckte Gerichte aufgetischt werden. Der Verein hat vor allem die Erhaltung und Förderung der Edelkastanie zum Ziel und ist der größte Edelkastanienbesitzer in Murg.
Die Exkursion schließt mit der Rückkehr zum Ausgangspunkt und einem herzlichen Dank an unsere vortrefflichen Begleiter, Josef und Simone, ab.
«Arvenreservat Murgtal» (Bericht Regele Michael)
Das Murgtal befindet sich im Kanton St. Gallen und gehört zu den Glarner Alpen. Das Tal hat eine Fläche von knapp 500 Ha, mit einer Länge von über 10 km und erstreckt sich vom Walensee (430m ü.M.) im Norden bis zum Schwarzstöckli (2.380m ü.M.) im Südwesten. Aus waldbaulicher Sicht finden wir vom Walensee startend Kastanienhaine und Buchenwälder, danach folgt der Übergang zur Fichten- und Ahornbestände und ab 1.600m kommen die Arvenwälder mit Legeföhren vor. Arven sind in diesem Gebiet kam zu finden und im Murgtal ist sozusagen eine Arven-insel vorzufinden. Das Murgtal ist ein noch naturbelassenes Tal und wird als Naturwaldreservat geschützt. Die drei Murgseen prägen das idyllische Landschaftsbild der Gegend, wobei die zwei oberen Seen künstlich erschaffen wurden und zur Stromgewinnung dienen. Es wird auf jegliche Holznutzung verzichtet. Nur Brennholz für die Almhütte um Mornen und der Murgseehütte am Ende des Tales kann geschlägert werden. So bleibt der Brennholztransport von außen erspart. Auch auf den Bau von neuen Infrastrukturen wird in diesem Tal verzichtet. Da bis 1965 der Tannenhäher in diesem Tal stark bejagt wurde, stellte man nachträglich fest, dass die Verjüngung der Arve dadurch beeinträchtigt wurde. Der Tannenhäher sammelt im Sommer die Nüsse der Arvenzapfen und versteckt sie in ca. 80 verschiedene Orten. Dieser kann im Winter nicht alle Verstecke findet, sodass der Samen im Frühjahr keimen kann. Da das Murgtal im Winter sehr schneereich ist und die Schneedecke einige Meter hoch sein kann, versucht der Tannenhäher die Nüsse auf Steinblöcke oder andere Anhebungen zu lagern, um sie in den Wintermonaten leichter zu finden. Aus diesem Grund sieht man viele Arven auf den besagten Stellen wachsen. Für Wanderer, Radfahrer und Skitourengeher bietet dieses besondere Tal Erholung und ein großartiges Rückzugsgebiet vom Alltag und die Besucher können die Natur ohne Verkehr und Lärm genießen.