Tierische Herausforderungen
So lautete der Titel der Vortragsreihe des Südtiroler Forstvereins am 14. November in Klausen.Bereits vor zwei Jahren hatte sich der Forstverein mit den „Neophyten- Pflanzliche Einwanderer in Südtirol“ auseinandergesetzt. Diesmal waren die Tiere an der Reihe. Für diese Vortragsreihe konnten 4 Experten als Referenten geholt werden.
Dr. Paul Zipperle vom Amt für Forstverwaltung, gab in seiner Einführung einen Überblick in die Thematik. Neobiota heißen gebietsfremde Arten, die aus fernen Ländern einwandern und dann bei uns für Probleme im Ökosystem sorgen. Einige dieser Einwanderer sind kaum auffällig, andere bereiten große Probleme. Sie verdrängen heimische Arten oder verursachen große wirtschaftliche Schäden oder haben Folgen für die Gesundheit.
Im Jahr 2014 wurde die EU Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung invasiver gebietsfremder Arten erlassen. Eine Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung wurde erstellt, diese Liste umfasst 49 Arten, davon 23 Pflanzen und 26 Tierarten. Die EU Verordnung aus dem Jahr 2014 sieht Maßnahmen zur Vorbeugung gegen invasive Schädlinge vor. Diese Verordnung wurde in Italien im Jahr 2017 umgesetzt, damit sollen die Vorbeugung und das Management der Bekämpfung der invasiven Arten gewährleistet werden. 19 Tierarten wurden in Italien auf die Liste der invasiven Arten gesetzt, eine davon ist die Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte auch Rotwangenschildkröte (Trachemys scripta) genannt, die sehr häufig in Aquarien gehalten wird. Diese kann zwar weiterhin als Haustier gehalten werden, es muss aber eine Meldung ans Umweltministerium gemacht werden, geeignete Maßnahmen gegen Fortpflanzung und Flucht ergriffen werden oder als Alternative ist die Abgabe in Sammelzentren vorgesehen. In Südtirol wurde die Abteilung Forstwirtschaft mit der Umsetzung beauftragt.
Dr. Andreas Meraner vom Amt für Jagd und Fischerei berichtete in seinem Referat über „Exotische Fisch- und Flusskrebsarten in den Gewässern Südtirols“. Süßwasserlebensräume weisen eine sehr hohe Diversität auf, sind aber sehr stark gefährdet. 83% der Bestände der erhobenen Arten sind in diesem Gewässersystem seit 1970 verloren gegangen. Besonders der Mittelmeerraum weist einen sehr hohen Gefährdungsstand auf: 50 Prozent der Arten gelten dort als bedroht. Als Gründe gelten vor allem Habitatbeeinträchtigungen und die Einfuhr fremder Arten. So sind etwa im größten Fluss Italiens, dem Po, 95% der Arten nicht heimisch. Zwischen heimischen und eingeschleppten exotischen Arten gibt es eine Reihe von Wechselwirkungen, wie etwa Konkurrenz, Krankheitstransfer, Genetische Interaktionen, Prädation und Veränderungen der Lebensräume.
Die in Südtirol heimischen Krebsarten sind der Dohlenkrebs und der Edelkrebs. Beide sind in ihrem Bestand gefährdet bis stark bedroht. In Südtirol konnten bereits mehrere exotische Krebsarten nachgewiesen werden. Der Signalkrebs ist ein Überträger der Krebspest, die für die heimischen Krebsarten lebensbedrohlich ist. Er kommt im unteren Ahrntal vor, in der ursprünglichen Heimat des Dohlenkrebses. Der Kamberkrebs wurde aus Amerika eingeführt, er ist bereits in ganz Europa verbreitet und kommt auch im Vahrner See vor. Auch den Galizischen Sumpfkrebs gibt es bereits in Südtirol. Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs stammt ebenfalls aus Nordamerika und ist sehr invasiv, weil er sehr konkurrenzstark ist. Er ist in Europa sehr schnell auf dem Vormarsch und z.B. im Po in sehr großen Dichten vorhanden. Im Trudnerbach gab es letztes Jahr einen Nachweis dieser Krebsart.
Ebenso wie mit den Krebsen verhält es sich mit exotischen Fischarten. Als blinde Passagiere bei Fischbesätzen gelangen sie oftmals in die Gewässer. Sind sie einmal in einem Gewässer, sind sie sehr schwierig wieder zu entfernen. Auch durch Aquarienhandel, nicht genehmigte Besätze oder durch Fischteiche kommen exotische Fischarten in unsere Gewässer.
Dr. Konrad Mair vom Amt für Obst- und Weinbau klärte über „Aktuelle invasive Pflanzenschädlinge von landwirtschaftlicher Bedeutung in Südtirol“ auf.
Das Problem bei den meisten eingeschleppten Schädlingen ist, dass sie keine natürlichen Gegenspieler haben. 12.000 gebietsfremde Arten gibt es derzeit in Europa, 15 Prozent davon sind invasiv. In Italien werden jährlich durchschnittlich 8 neue Pflanzenschädlingsarten eingeschleppt. Die Schäden, die die eingeschleppten Tiere anrichten, werden europaweit auf 12,5 Milliarden Euro geschätzt. Die Einschleppung neuer Schädlinge soll verhindert werden durch Importkontrollen und strenge Kontrollen an den EU Außengrenzen. Diese Kontrollen sind jedoch sehr schwierig durchzuführen. Das Auftreten von neuen Schädlingen führt häufig zu Importbeschränkungen oder Importverboten, da sich andere Länder zu schützen versuchen.
Mair erzählte von 4 in Südtirol in den letzten Jahren neu eingeschleppten Schädlingen, die den meisten bereits aufgefallen sind.
Die Kirschessigfliege wurde in Italien 2009 mit dem internationalen Warenverkehr aus Ostasien eingeführt. Im Jahr 2010 ist sie auch in Südtirol aufgetaucht. Sie befällt alle Früchte mit weicher Schale, z.B. Kirschen, Weintrauben oder Himbeeren. Das Problem der Kirschessigfliege im Vergleich zu den heimischen Arten ist, dass sie auch vollkommen gesunde Früchte befällt.
Die Walnussfruchtfliege kam aus Amerika zu uns, seit 2004 gibt es sie mittlerweile in Südtirol. Sie befällt die Walnüsse, die dann schwarz werden und am Baum hängen bleiben.
Die marmorierte Baumwanze trat 2012 zum ersten Mal in Italien auf, seit 2016 in Südtirol. Sie ist und wird ein großes Problem werden. Diese Wanze sticht das Pflanzengewebe an, um Pflanzensaft zu saugen, dabei gibt sie ein Enzym ab, wodurch die Frucht verkorkt. Sie befällt alle landwirtschaftlichen Kulturen. Im Herbst sucht sie geschützte Standorte auf und kommt daher auch in die Wohnungen.
Die Kastaniengallwespe wurde im Jahr 2008 durch infiziertes Pflanzenmaterial in Südtirol eingeschleppt. Die aus Asien stammende Art legt ihre Eier in die Knospen der Kastanienbäume, wodurch die Bildung der charakteristischen Gallen an Blättern, End- und Seitentrieben des Baumes verursacht wird. Durch die gezielte Freilassung eines natürlichen Gegenspielers und zwar eine ebenfalls aus China stammende spezielle Schupfwespenart wurde die Kastaniengallwespe in den letzten Jahren eingedämmt.
Mag. Monika Eder-Trenkwalder vom Ingenieurbüro für Biologie Absam (AT) ist gleichzeitig die Biberbeauftragte des Landes Tirol. „Der Biber als Holzfäller“ war das Thema ihres Referats.
Der Biber war eine bedeutende jagdbare Tierart bis ins 16. Jahrhundert, wurde anschließend aber fast in ganz Europa ausgerottet und ist so auch in Nordtirol verschwunden. Vor 30 Jahren kehrte er über den Inn aus Bayern zurück. Mittlerweile gibt es wieder 140 Biberreviere in Tirol. Biber gelten als Ingenieure des Ökosystems. Der Biber ist mit bis zu 35 kg Gewicht das größte Nagetier Europas, sein nächster Verwandte ist das Murmeltier. Natürliche Feinde hat der Biber kaum, dies wären am ehesten Bär, Luchs und Wolf. Heutzutage kommen die meisten Biber allerdings durch Unfälle mit Autos oder Zügen um, da sich die Biber auf Wanderschaft begeben und oft Opfer von Verkehrsunfällen werden. Der Biber ist sehr gut an das Leben im Wasser angepasst, so hat er Schwimmhäute an den Zehen der Hinterpfoten oder kann Nase und Augen verschließen. Starke Krallen helfen beim Erklimmen der Uferböschung, die Augen sind mit einer Nickhaut geschützt und das sehr dichte Fell hält trocken und warm. Der Lebensraum des Bibers sind sehr langsam fließende und stehende Gewässer mit Weichhölzern am Rand und grabbaren Ufern. Der Biber nutzt einen 10-20m breiten Uferstreifen entlang des Gewässers. Im Sommer ernährt sich der Biber von pflanzlicher Nahrung, im Winter von Baumrinde. Daher fällt der zumeist nachtaktive Biber meist erst im Herbst auf, wenn er beginnt Bäume zu fällen. Bevorzugte Baumarten sind Pappel und Weide, Nadelbaumarten werden nicht gefressen. Mit seinem kräftigen Kiefer, seiner starken Kaumuskulatur und den ständig nachwachsenden Nagezähnen ist er ein begnadeter Holzfäller. Um einen Baum mit 15 cm Durchmesser zu fällen braucht er ca. zehn Minuten.
Mit dem gefällten Holz baut der Biber Dämme, um das Wasser zu stauen, damit er schwimmen kann. Außerdem baut er mit Holz seine Biberburg, das ist der Deckel für seine Wohnung. Der Eingang liegt stets unter Wasser, die Wohnung selbst ist in die Uferböschung gegraben.
Der Nutzen des Bibers für die Natur ist sehr vielfältig: Er gestaltet die Landschaft, erhöht die Artenvielfalt, trägt zum Hochwasserschutz bei, verbessert den Wasserhaushalt, steigert den Erholungswert der Landschaft, fördert die Naturverjüngung und die Reinigung von Gewässern.
Seit ca. zwei Jahren gibt es auch ein Biberrevier in Osttirol und auch bei Steinach am Brenner gab es bereits Bibernachweise. Von dort könnte der Biber auch nach Südtirol kommen, dies wird aber nach Einschätzung der Expertin sicher noch länger dauern.
Im Anschluss an die Vorträge hatten die Zuhörer noch die Möglichkeit, sich mit ihren Fragen an die Experten zu wenden.
Rieder Florian, Forststation Jenesien