Berichte von den Veranstaltungen des Südtiroler Forstvereines

Die Borkenkäfer-Problematik

Die diesjährige Vollversammlung des Südtiroler Forstvereines am 11.03.2022 in Terlan griff die aktuelle Problematik des derzeit starken und vermehrt aufkommenden Borkenkäferbefalls in unseren Südtiroler Wäldern mit drei Fachvorträgen auf.

Dr. Andriolo Alessandro vom Amt für Forstplanung berichtete über die Borkenkäfersituation in Südtirol. Der Auslöser der derzeitigen Massenvermehrungen des Fichtenborkenkäfers war das außergewöhnliche Sturmereignis Vaia im Oktober 2018 auf der Alpensüdseite.

Die gemessenen Windgeschwindigkeiten betrugen teilweise über 200km/h.

Betroffen war der südöstliche Alpenraum vor allem das Oberpustertal, das Gadertal, das Unterland und der untere Vinschgau. Allein in Südtirol fielen auf rund 6.000 ha Windwurffläche (Flächengrößen von 1,4 – 177ha) ca. 1,5 Mio. Vfm Schadholz an.

In erster Linie waren hochmontane - subalpine Fichtenwälder betroffen. Im Schnalstal fielen fast ausschließlich Lärchenreinbestände dem Sturmereignis zum Opfer.

Bereits im Juni 2019 waren 50 %, im Herbst 2019 75% des angefallenen Sturmholzes aufgearbeitet.

Das war glücklichen Umständen zu verdanken wie die schnelle und unbürokratische Wiederinstandsetzung des Forstwegenetzes, die gute Konjunkturlage der Holzindustrie, die moderne Technisierung der eingesetzten Schlägerungsunternehmen (Harvester, Forwader), der Arbeitseifer (Nachtarbeit) und nicht zuletzt die äußerst günstige Schneelage.

Wegen des unbeständigen Witterungsverlaufes im Sommer 2019 kam es trotz der Verfügbarkeit von Brutmaterial zu keiner Massenvermehrung wie es das Monitoring mittels Pheromonfallen gezeigt hat.

Zur Verstärkung und letzthin der Verschärfung des Borkenkäferbefalles kam es allerdings durch das Schneedruckereignis im November 2019 mit landesweit rund 800.000 Vfm Schadholz.

Die angefallenen Streuschäden bereiteten nutzungstechnisch enorme Schwierigkeiten und viele Schlägerungsunternehmer waren aufgrund des anderweitigen Arbeitsangebotes bereits außer Landes.

Zu einer weiteren Verschärfung des Borkenkäferbefalles kam es durch ein erneutes Schneedruckereignis im Dezember 2020 mit weiteren 500.000 Vfm Schadholz.

In den Pheromonfallen im Gadertal waren bis zu 20.000 Käfer zu finden. Im Juni 2021 kam es zu einer 3 wöchigen Hitzewelle. Dieser Umstand ergab ein massives Schwärmen der Adultkäfer und einen Stehendbefall mit 2 Generationen von ca. 500 ha im Pustertal. Die Fangzahlen in den Pheromonfallen starteten im Jahr 2019 durchschnittlich bei 744 Käfer/Falle, 2020 bei 916 Käfer/Falle bis hin zu durchschnittlich 1613 Käfer/Falle im Jahre 2021.
Dr. Ing. Schmutzenhofer (Jahrgang 1939!) berichtet in seinem Fachvortrag über seine nahezu lebenslangen Erfahrungen mit den verschiedensten Borkenkäferarten weltweit.

Dabei schweifte sein Vortrag nach einer Exkursion zu den Pappelaufforstungen in China zur Verbreitung des Fichtenborkenkäfers in Kanada und schließlich ins Himalayagebiet wo aufgrund seiner Entdeckung des Himalayaborkenkäfers, des Ips schmutzhoferi, ein Käfer seinen Namen trägt. Weiters berichtete er von 40 Arten des Buchdruckers die alle einen pheromongesteuerten Lebenszyklus haben.

Nach seinen Erfahrungen kommt es vor allem bei/nach einem Schadereignis oder durch Trockenstress und insbesondere auch in überalterten Beständen zu Massenvermehrung des Buchdruckers.

Alle drei Faktoren sind augenscheinlich derzeit in Südtirols Wäldern zu finden.

Laut seiner Expertise dauern Massenvermehrungen in der Regel witterungsabhängig 3-5 Jahre und genau diese Einschätzung prognostizierte er für Südtirol. Herr Schmutzhofer plädierte außerdem eindringlich für die Einrichtung eines Einsatzleitungsteams mit entsprechendem Personalbedarf und zur kartographischen Erfassung der Befallsherde und warnte die Pheromonfallen bei einer Fangzahl von 3.000 Individuen im Bestand stehen zu lassen. Das Hauptaugenmerk soll allerdings darin bestehen das Brutmaterial zu reduzieren!

Dabei schreckte er auch nicht vom Einsatz von chemischen Borkenkäferbekämpfungsmitteln (Insektizide-Pyretroide) zurück. Mitunter betonte er die Wichtigkeit der „Waldhygiene“, die Entrindung bzw. die Abfuhr frisch geschlägerten Holzes und dessen Überwachung, dabei sind geeignete Holzlager außerhalb des Waldes einzurichten.Der Flugstart des Käfers ist abhängig von der Strahlungswärme (Sonnenexposition zu beachten) und erfolgt bei einer Bodentemp. von 10 °C bzw. ab 12-15 °C Lufttemperatur.

Schwärmperioden bzw. Schwärmphasen erfolgen meist bei 20 °C, also von Mai bis Juni und es erfolgt ein Quartierwechsel ohne Brut -Befallsstart. Am Astansatz der Fichte und durch Duftstoffe angelockt beginnt der Käfer sich hinter die Rinde einzubohren und lockt durch Abgabe von Pheromonen Männchen und Weibchen an. Es erfolgt ein Massenbefall und somit können sich 1 bis 2 Generationen mit jeweiligen Geschwisterbruten am Baum entwickeln. Bei einem Überangebot an Artgenossen am Baum werden Repelenzpheromone als Ablenkung abgegeben.Der Buchdrucker vergesellschaftet sich weiters auch mit anderen Ipsarten am selben Baum wie dem Kupferstecher und dem Ips Polygraphus.

Beim Aufstellen von Pheromonfallen gab er aus der Praxis die Empfehlung, dass im Umkreis von 30 m zur Falle keine Bäume stehen dürfen und dass 1 Esslöffel (leicht gegupft) ca. 300 Buchdruckerkäfer enthält. Es müssen schwarze Fallen sein, da weiße auch fängig für Nützlinge sind und sie müssen aus Hartplastik sein, ansonsten bohren sich die Käfer durch. Er empfiehlt weiters, dass der Pheromoneinsatz ab Mitte April bei einer 5 Tageskontrolle durchzuführen ist.

Wichtig ist beim Aufstellen der Fallen auf die Hauptwindrichtung zu achten.

Der Vortrag schloss mit einem Exkurs über den Entwicklungspionier des Einsatzes von Pheromonfallen, die rudimentäre Forsttechnik mit 2 Mann Motorsägen in Butan und Guatemala, Holztransporte, Sägewerke und Holzbedarf, Rodungen bis hin zur Jagd der einheimischen Bevölkerung. Eindrücklich war seine Beschreibung von uns völlig unvorstellbaren Waldgesellschaften im Himalaya wie Schwarzföhren-Lärchenwälder oder Fichten-Blaufichtenwälder mit Tanne an der Waldgrenze. Nach Ende seiner Ausführungen erklärte der vielgereiste Mann, dass er bereits im Anschluss an den Vortrag in den Oman reisen wird.
Dr. Gernot Hoch referierte über das Borkenkäfermanagement in Zeiten des Klimawandels.

Borkenkäferkalamitäten wurden bereits seit 1797 in der Forstgeschichte erwähnt. So wurde der Borkenkäferbefall im deutschen Harz als „Wurmtrocknis“ bezeichnet.

Seit den 90iger Jahren führen steigende Temperaturen zunehmend zu Borkenkäferschäden bei Fichte. Im Nordosten Österreichs, nördlich der Donau – im Waldviertel, in Tschechien und Deutschland gab es im Jahr 2019 ein enormes Borkenkäfermassenauftreten. Eine bis dato neuartige Dynamik angetrieben durch extreme Trockenheit und Hitze beginnend bereits seit 2018. Es kam zu einer Massenvermehrung aufgrund von ungewöhnlich niederen Jahresniederschlägen von unter 600 mm , erhöhten Lufttemperaturen und folglich zum Trockenstress bei der Fichte – es kam zu einem großflächigem Massenabsterben.

Gernot Hoch beschrieb die Dynamik bzw. den Ablauf der Massenvermehrung.

Grundsätzlich gilt der Borkenkäfer ja bekanntlich als Sekundärschädling aber bei Störereignissen wie z.B. durch Massenanfall von Schadholz, kann der Befall extreme Ausmaße erreichen. Diese Ausmaße sind abhängig vom Angebot des Brutmaterials über mehrere Jahre, sodass er sich u.a. zum Primärschädling entwickelt und es demzufolge zum Stehendbefall gesunder Bäumen kommt. Die Käferentwicklung wird durch höhere Temperaturen sowie durch Vorschädigung bzw. Schwächung des Baumes infolge von Trockenstress gefördert, wodurch das Massenauftreten begünstigt wird.

In Österreich kam es im oberen Mölltal - Kärnten und in Osttirol bereits vor Jahren zu Massenvermehrungen, in der Hohen Tatra - Slowakei war ein Sturmereignis im Jahr 2004 mit über 2,5 Mio. Vfm zum Auslöser für die Massenvermehrung geworden.

Interessant war hierzu außerdem, dass sich dort aufgrund der Temperaturen nur eine Generation entwickelte und trotzdem diese riesigen Schäden verursachte. Herr Hoch mahnte auch vom trügerischen ersten Jahr Verzögerung, das dann in den Folgejahren zu Stehendbefall führte. Im Jahre 2008 berichtete er von Borkenkäferkalamitäten in Spital an der Drau - Kärnten mit 2 und sogar 3 Generationen, welche ähnlich wie bei uns in Südtirol durch ein Sturmtief und Schneedruck ausgelöst wurden.

Adultkäfer sind vor tieferen Temperaturen im Winter in der Rinde am Stamm und in der Bodenstreu gut geschützt. Ein überwinterter Adultkäfer liefert an die 50 Nachkommen. Als natürliche Gegenspieler gelten Spechte und der Ameisenbuntkäfer (dessen Käfer fressen 100 Borkenkäfer und dessen Larven 50 Borkenkäferlarven). Leider ist die Populationsdynamik der Gegenspieler gegensätzlich zu der des Borkenkäfers, was somit ein Massenauftreten nicht verhindern kann.

Als Gegenmaßnahmen sind eine gute Forsterschließung, die schnelle Aufarbeitung des Schadholzes und ein sofortiger Abtransport des bruttauglichen Materials erforderlich.

Aus waldbaulicher Sicht sollten stabile Mischbestände gefördert werden.

Wie erkennt man einen Borkenkäferbefall frühzeitig?

Bohrmehl und Harzfluss am Stamm, grüne Nadeln am Boden, bei einem Tritt zum Stamm kommt es zur Nadelung.

Bei den Aufräumarbeiten sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

- Nadelholz vor Laubholz
- Einzelwürfe vor Nestwürfen mit großen Flächen
- Bruchholz vor Wurfholz
- Tieflagen vor Hochlagen
- Sonnseite vor Schattseite
- Achtung! Gesonderte Beurteilung bei Objektschutzwäldern

Die Fangbaumvorlage oder Fangschläge(=bei großem Befall) müssen im Frühjahr im richtigen Entwicklungsstadium der Käfer durchgeführt werden. Dabei sind die rechtzeitige Holzabfuhr und /oder Entrindung oder eine biotechnische Maßnahmen erforderlich. Man beachte das ein Windwurf in höheren Lagen ein Jahr lang bruttauglich bleibt!

Auch auf die Logistik und die Auswahl der Lagerplätze ist zu achten, da lagerndes Holz auch eine Quelle der Käferausbreitung ist. Hierfür sind Nasslager, Folienlager(Silofolie) und Lagerung des Frischholzes in einem Abstand von über 500 m vom Wald entfernt, geeignet. Käferholz kann auch mit spez. Insektiziden oder Insektizidnetzen behandelt werden. Eine Entrindung erfolgt mit Harvesterköpfen oder mit einer Motorfräse-bzw. Hobel.

Die wichtigste waldbauliche Maßnahme wäre die Förderung der Baumartenvielfalt.

Der Borkenkäfer ist neben den abiotischen Schadereignissen, wie Nassschnee und Orkanstürmen, eine Folge des Klimawandels. Wer mehr über den Borkenkäfer wissen möchte kann sein Wissen auf www.borkenkäfer.at oder www.bfw.gv.at bereichern.

Andreas Klotz, Südtiroler Forstverein